Von der Schublade in die Nische – was musikalische Profis im Anschluss...

Von der Schublade in die Nische – was musikalische Profis im Anschluss an DSDS erwartet

Wer an Castingsendungen teilnimmt, ist jung und unbedarft, hofft auf eine steile Karriere im Showbiz und bewirbt sich als musikalischer Laie quasi aus dem Stand …

Daniel Schuhmacher (c) Foto: Nikolaj Georgiew

… oder hangelt sich von Sendung zu Sendung und Jahr zu Jahr, bis es dann im xten Anlauf klappt, irgendwann. Dieses Vorurteil mag für einige erfolgreiche Absolventen von Castingshows zutreffen – etwa für „Superstar“ Daniel Schuhmacher, der 2008 bei seiner ersten Bewerbung als DSDS-Teilnehmer nicht unter die letzten 15 Kandidaten kam, das Ding dann aber beim zweiten Anlauf erfolgreich wuppte. Allerdings genügen längst nicht alle Kandidaten von Castingformaten wie „Popstars„, „Deutschland sucht den Superstar„, „Das Supertalent“ oder „X-Factor“ dem gängigen Bewerberbild des Neulings bzw. Greenhorns. Zunehmend sind es etablierte Musiker, die bewusst ein Castingformat als Plattform wählen, um eine breitere Öffentlichkeit auf ihre Talente aufmerksam zu machen.

Mehrzad Marashi (c) RTL / Stefan Gregorowius

Mehrzad Marashi (c) RTL / Stefan Gregorowius

Mehrzad Marashi zum Beispiel – der diesjährige DSDS-Gewinner – hat schon früher unter dem Künstlernamen „Marasco“ Musik gemacht. Für ihn war die Sendung mit dem Bohlen nichts anderes als ein Sprungbrett, um … hoffentlich … ein grösseres Publikum zu erreichen. Ob das klappt, und ob es in der musikalischen Zukunft von „Marasco“ weiterhin um populäre Gassenhauer wie „Sweat“ gehen wird oder aber um deutsche Lieder im Stil von Xavier Naidoo oder gar um persönlicher gefärbtere Songs mit einer dezidierten Botschaft wie etwa „Unvergessen“ – für die Opfer der Love Parade in Duisburg geschrieben – das alles steht noch völlig in den Sternen.

Thomas Godoj (c) Sony Music / Andreas „Bär“ Läsker

Ein gutes Beispiel dafür, was DSDS musikalischen Profis bringen kann – an Vorteilen, aber auch an Hypotheken, die ganz schön belastend werden können, ist die DSDS-Staffel 2008, die der deutsch-polnische „Rocker“ Thomas Godoj vor dem aus dem Libanon stammenden „Schmusesänger“ Fady Maalouf gewann. Beide waren damals knapp um die 30 und sagen heute, sie hätten in ihrer Bewerbung für ein derart populäres Fernsehformat die wortwörtlich letzte Chance gesehen, um doch noch im Musikbiz Fuss zu fassen und einen Plattenvertrag zu ergattern. Beide hatten zum Zeitpunkt ihres erfolgreichen Einzugs in die Mottoshows schon jahrelang Musik gemacht. Bloss fehlte es an der notwendigen öffentlichen Aufmerksamkeit, um aus der Berufung einen Beruf mit einem zukunftsweisenden Businessplan zu machen. Godoj war zuvor schon mit eigener Band unterwegs und schrieb eigene Lieder. Maalouf hatte eine klassische Gesangsausbildung absolviert und war ein erfahrener Club- und Pianobarsänger, der im Libanon und in Frankreich regelmässig Auftritte hatte und seine Jazzstandards aus dem Effeff kannte.

Fady Maalouf (c) RTL

Fady Maalouf (c) RTL

Was die zwei DSDS-Finalisten von 2008 auch verbindet: Beide haben nach dem ersten, im Anschluss an die Finalsendung im Eiltempo produzierten Album einen zweiten Longplayer mit Singleauskoppelung folgen lassen, der nach eigenen Vorstellungen realisiert wurde. Beide geben regelmässig Konzerte, mit eigener Band, eigenen Songs und vor einem Publikum, das hauptsächlich aus den treuen Fans (mit grosszügig gefüllter Reisekasse …) besteht. Und beide haben sich als Musiker in ihren je eigenen Nischen etablieren können – trotz des Casting-Stempels und trotz des damit verbundenen Handicap eines praktisch nicht vorhandenen öffentlichen Airplays.

Kurz gesagt: Thomas Godoj und Fady Maalouf finden zwar weitgehend unter dem Radar der musikjournalistischen Öffentlichkeit Deutschlands statt – genauso wie viele andere musikalische Acts, die mit einiger Regelmässigkeit durch die Lande tingeln und Konzerte geben oder für öffentliche Auftritte an Messen und Sommerfesten gebucht sind. Aber: Sie können von ihrer Musik leben. Sie entwickeln sich weiter und gehen dafür auch Risiken ein. Und sie haben sich inzwischen auch ohne den väterlichen Segen eines Dieter Bohlen, ohne Volker Neumüllers Management-Agentur 313 (führte erst Fady Maaloufs Geschäfte) und ohne die Kontakte eines Bär Läsker (im Fall von Thomas Godoj) ein genügend professionalisiertes Umfeld aufgebaut, um den nächsten Etappen ihrer musikalischen Laufbahn mit einiger Zuversicht entgegenzusehen. (ugb)